Monetarisierung im Ehrenamt aktiv entgegenwirken

LAGFA-Position zu Monetarisierungsentwichlungen im Engagement

Die im September 2022 angekündigte Förderung für Nachbarschaftshilfe zur Versorgung von Senior:innen in Sachsen-Anhalt macht deutlich, dass sich in der (Förder-)Praxis zunehmend begriffliche Unschärfen bei der Verwendung des Begriffs "Ehrenamt" breitmachen. Die LAGFA beobachtet mit Sorge, dass mit Ehrenamt zunehmend Aufgabenfelder beschrieben werden, bei denen es sich faktisch um niedrig entlohnte Nebenerwerbstätigkeiten handelt und Monetarisierungseffekte im Ehrenamt entstehen.

Daher nutzt die LAGFA die aktuelle Debatte, um nochmals zu verdeutlichen, dass freiwilliges Engagement eine unentgeltliche Leistung für die Gesellschaft ist, die nicht mit einer Bezahlung auf Stundenbasis vergütet werden darf.

Eine entsprechende Definition freiwilligen Engagements wurde in der Engagementstrategie des Landes formuliert.

Eine organisierte, individuell passende niedrigschwellige Unterstützung und Begleitung für Menschen, die auf anderen Wegen keinen Zugang zu Unterstützungsleistungen haben oder von Angeboten nicht erreicht werden ist wichtig, gerade im ländlichen Raum. Gleichzeitig handelt es sich hierbei um eine stundenbezogene Vergütung für eine niedrigschwellige Dienstleistung, die begrifflich von freiwilligem oder ehrenamtlichen Engagement klar abgegrenzt werden muss. Tätigkeiten mit Bezahlungen die, wie hier geplant, als Ehrenamt bezeichnet werden, entwerten die besondere zivilgesellschaftliche Qualität von freiwilligem Engagement und verändern die Engagementkultur.

Bereits 2015 hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freiwilligenagenturen (bagfa) in einem Positionspapier auf die Gefahr der Monetarisierung im Ehrenamt hingewiesen:

FreiwilligenagenturMagdeburg-80h-2„Wenn Bezahlung ein selbstverständliches Element des Engagements wird, ändert sich die Motivlage der Engagierten. Beweggründe wie – auch im Kleinen an der Verbesserung gesellschaftlicher Gegebenheiten mitzuwirken, Spaß haben, gemeinsam mit Anderen aktiv und gestalterisch tätig zu werden, eigene Kompetenzen einzubringen – rücken in den Hintergrund.

Damit verändern sich auch die Erwartungen an die Tätigkeit. Der selbstbestimmte Wunsch sich zu engagieren wird abgelöst von der Erwartung, eine Tätigkeit auszuführen, für die es Geld zur Verbesserung des Lebensunterhalts gibt und die den Anweisungen und Vorgaben der Einsatzstellen entspricht.“

Das hat an Bedeutung nichts verloren und muss den Leitfaden für engagementpolitische Entscheidungen und Programme bilden.

Im Engagementsektor gibt es zahlreiche positive Beispiele für unentgeltliches ehrenamtliches Engagement im sozialen Bereich, beispielsweise ehrenamtliche Seniorenbegleiter:innen: orientiert am eigenen Zeitbudget besuchen sie, ohne finanzielle Vergütung, einen älteren Menschen zu Hause oder in einer Einrichtung und entscheiden gemeinsam, was sie tun möchten. Spazieren gehen, Vorlesen, Karten spielen, alte Fotos anschauen oder einfach zuhören.

Dabei werden den Ehrenamtlichen, in der Regel die Aufwendungen erstattet, die mit ihrem Engagement verbunden sind (beispielsweise Fahrkosten oder Materialkosten). Außerdem erhalten die freiwillig Tätigen eine fachliche Begleitung sowie kostenfreie engagementbezogene Qualifikationen und Vernetzung.
Vor dem Hintergrund des Selbstverständnisses freiwilligen Engagements vermitteln Freiwilligenagenturen und Engagementzentren daher nur in Tätigkeiten, die diese Kriterien bürgerschaftlichen Engagements erfüllen.

Eine begriffliche und thematische Abgrenzung zu Strukturen, die jetzt im Bereich Pflege und lebenslanges eigenständiges Wohnen entwickelt und gefördert werden, ist aus Sicht der LAGFA unerlässlich, ohne dass dabei in Frage gestellt wird, dass es solche Unterstützungssysteme braucht.