"Wir sind davon überzeugt: Freiwilliges Engagement ist ein Wert an sich und für eine demokratische Gesellschaft von grundlegender Bedeutung. Alle profitieren davon."
Basierend auf einem Impuls von Prof. Roland Roth, diskutierten Mitte April die Teilnehmenden des Fachtages die veränderten Anforderungen an ein zeitgemäßes Freiwilligenmanagement in Krisenzeiten.
Dabei ging es insbesondere um die Frage, wie (spontan) engagierte Menschen, Kommunen, die Katastrophenhilfe und Freiwilligenagenturen in Krisensituationen gut zusammenarbeiten können. Denn: Wachsende Flüchtlingszahlen, Corona-Pandemie, Flut, Ukraine-Krieg, Folgen des Klimawandels – krisenhafte Situationen, die unsere Gesellschaft in allen Bereichen fordert, scheinen nicht zu enden und sich immer stärker zu überlappen.
Bürgerschaftliches Engagement spielt in der Bewältigung von lokalen und überregionalen Notsituationen eine entscheidende Rolle, und zwar in allen Facetten. Neben etablierten Katastrophenschutz-Organisationen und bewährten Krisenstäben entwickeln engagierte Menschen spontane Eigeninitiative, um Hilfesuchende zu unterstützen.
Wie diese bisher wenig berücksichtigte Ressource für Krisen- und Notfälle sinnvoll genutzt werden kann, wie unterschiedliche Akteure auf lokaler Ebene zusammenwirken und welche Rolle Freiwilligenagenturen dabei spielen können, war Thema der LAGFA-Fachveranstaltung, die gemeinsam mit der bagfa, der lagfa Brandenburg, der lagfa Sachsen, der Ehrenamtsstifung Sachsen und der Ehrenamtsstiftung Thüringen umgesetzt wurde.
Es wurde deutlich, dass sich Freiwilligenagenturen und Engagementzentren im Bereich des spontanen Engagements noch besser aufstellen müssen und die Methoden des Freiwilligenmanagements für diese Engagementfeld anzupassen sind. Es gehe beispielsweise um eine "Willkommenskultur für spontan Engagierte" und um zeitgemäße Aktivierungs- und Informationsformen, wie App oder online-Plattformen.
Gleichzeitig gewinnt die Vernetzungsrolle der Freiwilligenagenturen an Bedeutung, da die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Blaulichtorganisationen, mit Helfer:innenkreisen und mit den Verantwortlichen in den Kommunen ein zentraler Gelingensfaktor für eine gute Wirksamkeit spontanes Engagements ist. Denn es muss darum gehen, die klassischen Unterstützungsstrukturen nicht zu behindern, sondern diese zu unterstützen und zu entlasten.
Klar wurde auch, dass Menschen, die sich in Krisensituationen besonders unterstützend und helfend einbringen, oftmals in Vereinen und Initiativen mitwirken und gemeinsam mit "ihrer Sportgruppe", "ihrem Chor" oder "ihrer Nachbarschaftinitiative" aktiv werden. Insofern gibt es hier ein hohes Aktivierungspotenzial, das, gut informiert und begleitet, eine enorme Wirkung entfalten kann.
1. Resilienz und Vorsorge – Gemeinsame Vorbereitung auf Krisen und Notsituationen
Wenn krisenhafte Situationen keine Ausnahme mehr sind, bekommen Vorsorgemaßnahmen und –strukturen besondere Bedeutung. Um in ganz verschiedenen Situationen handlungsfähig zu bleiben, sollte der „Instrumentenkoffer“ vielfältig gefüllt sein. Digitalisierung, Datenbanken und etablierte Netzwerke sind nur einige Schlagworte, die in diesem Themenraum diskutiert wurden.
Nach der reflektierenden Vorstellungsrunde wurden die Herausforderungen diskutiert, die sich in Krisensituationen stellen und dann am Beispiel eines langanhaltenden Stromausfalls einige Ideen, Instrumente und Methoden gesammelt, die für Freiwilligenagenturen und Engagementzentren eine Rolle spielen. Dazu gehören insbesondere Methoden der Vorsorge, wie:
ein Krisenkalender mit Ansprechpersonen, Kontaktdaten und Treffpunkten (nicht nur digital)
Treffpunkte für Engagierte und Hilfesuchende im Vorfeld definieren und bekannt machen
Übersicht über Mitmachangebote für sponatan Helfende und Krisenhelfende, also Ehrenamtliche, die sich bereit erklären, im Krisenfall eine multiplizierende und evtl. organisierende Rolle zu übernehmen)
und nicht zuletzt
die Mitwirkung in Krisenstäben und hier die Klärung von Verantwortlichkeiten und "Meldeketten"
2. Das eine nicht ohne das andere – Organisiertes Notfallmanagement und spontanes Engagement im Zusammenspiel
Wie wichtig es ist, im Katastrophen- und Krisenfall auf erfahrene „Blaulichtorganisationen“ zurückgreifen zu können, hat sich in den letzten Jahren immer wieder gezeigt. Gleichzeitig gibt es immer mehr Menschen, die sich zwar nicht langfristig engagieren wollen, aber im Notfall zur Verfügung stehen. Wie dieses Zusammenwirken vorbereitet und realisiert werden kann und an welchen Stellen Freiwilligenagenturen unterstützen können, war Gegenstand dieser Diskussionsrunde.
Die Teilnehmenden waren sich einig, dass Parallelstrukturen zu Zeit- und Reibungsverlusten führen. Daher ist die intensive Kommunikation und eine Einbindung von engagementfördernden Strukturen in Krisenstäbe eine Bedingung für gute Kooperation im Krisenfall. In herausfordernden Situationen ist es notwendig, dass die Vermittlungsorte und die verantwortlichen Akteure auch für für spontan Helfende leicht und schnell identifizierbar sind. Als weitere Gelingensbedingungen wurden genannt:
Fachnetzwerke stärken
sind koordinativ wichtig, essenzieller ist allerdings im Krisenfall der vernetzende „Blick über den Tellerrand“
Verstetigung sichern
von Netzwerkstrukturen schafft Vertrauen und Zeitvorsprung bei nächster Krise
Augenhöhe herstellen
zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen
Erfahrungswissen bündeln
und mit Fachstellen (staatl. wie zivilgesell.) geteilt werden
Bürokratie vermeiden
und pol. Handeln in „Wahlperiodenlogik“ bremsen Krisenmanagement und Engagementbereitschaft
Außerdem braucht es im migrantischen Engagement einer besonderen Perspektive, da Migrant:innen in bestimmten Krisensituationen einem besonderen Druck ausgesetzt sind. Nicht zuletzt spielt auch im Zusammenspiel der Organisationen und der spontan Engagierten die Anerkennung und Wertschätzung des jeweiliegen Engagements eine zentrale Rolle.
3. Spontan, aber nicht ziellos – Vom Charakter und Wert spontanen Krisenengagements
Das Aktivierungspotential für spontanes, freiwilliges Engagement in Krisensituationen ist enorm, es ist hilfreich und herausfordernd gleichermaßen. Welche Formen der Unterstützung nötig und gewünscht sind, wie Einsatzkoordination, Vernetzung und Informationsfluss gelingen können und welche Einsatzfelder davon besonders profitieren, diskutieren die Teilnehmenden in diesem Themenraum.
Ausgehend von den Erfahrungen der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden Freiwilligenagenturen und Engagementzentren wurden die Gelingensfaktoren zur Einbindung von sponatnem Engagement diskutiert. Dazu gehören insbesondere eine personelle Kontinuität in den Einrichtungen und eine aktive Einbindung der Engagementfördernden in die Krisenstäbe und Helferkreise. Aber auch das aktive Einbinden von neuen Aktiven, Initiativen und die direkte Ansprache von Helferorganisationen sind wichtig und helfen Doppelstrukturen zu vermeiden.
An die Verantwortlichen in Kommunen, im Land und im Bund gingen folgende Forderungen:
Anerkennung und Würdigung des spontanen Engagements
gemeinsame Arbeitsstrukturen von Kommunalverwaltung und Freiwilligenagenturen und Engagementzentren entwickeln
Freiwilligenagenturen und Engagementzentren in der Rolle als trägerübergreifender Multiplikator als "kritische Infrastruktur" einordnen und fördern